januar

Das Jahr 2020 beginne ich ganz allein. Keine Silvesterfeier. Stattdessen setze ich mich in den letzten Stunden des Jahres hin und schreibe auf, wofür ich dankbar bin und vor allem, was ich mir für das nächste Jahr vornehme: „Konrad, du kannst Ende 2020 deutlich weniger Geld auf dem Konto haben. Aber hab das Projekt VERSUCHT umzusetzen. So richtig. Mit Scheitern & Weitermachen. Glaub daran. Mach das. Fertig.“

Am 15.01. beziehe ich für zwei Wochen den Wasserturm von Igstadt, weil meine lieben Freunde und Turmbewohner im Urlaub sind und mich eingeladen haben, deren Zuhause zu hüten. Und hoch oben arbeite ich zehn Tage lang das Konzept zu dem Projekt H.O.P.E. aus. Außerdem mache ich die Webseite fertig und erstelle die App-Designs.

Alle paar Tage gehe ich nach Hause zu meinem Sohn. Der ist zwar, wie die meisten Teens, gern allein und genießt seine „Freiheit“, aber ab und zu will Papa halt nach ihm schauen. Am 21.01. bitte ich ihn, mir mal sein neues iPad zum Malen zu geben. In dem Moment wird Jimmy geboren. Zurück im Turm, drehe und schneide ich den H.O.P.E. Erklärfilm.

Ab 28.01. präsentiere ich Schritt für Schritt Freunden und Co-Workern die Idee. Von da an nimmt das Projekt Fahrt auf.

Sidefact: Bei den ersten Präsentationen bin ich voll nervös! Das ist, so sollte sich zeigen, eine super Übung. Später stolpere ich  unvorbereitet in Pitchveranstaltungen, ohne groß mit der Wimper zu zucken.

februar

Das Projekt erfährt zum erste Mal eine Dynamik, die mich überwältigt und beflügelt. Neben einem Netzwerk von vielen treuen Ratgebern formt sich das 4-er-Team; mit dabei sind nun Stelly, Swea und Jan.

Wir arbeiten parallel an der Präsentation und dem Crowdfunding sowie der Ausarbeitung der Module „Mobilität“ und „Reisen“. Wir wollen im ersten Schritt klimafreundliche Fortbewegung und Reisen neu gestalten. Die anderen Module sollen später folgen.

Startup Romantik at its best! Um gemeinsam arbeiten zu können, mieten wir Air BnB’s an. Das hat Charme. Schnell wird aber das Ein- und Ausräumen zu zeitraubend. Ich frage meinen Sohn, ob wir sein Kinderzimmer haben können, da er das größere in unserer 3-Zimmer-Wohnung hat. Er darf dafür meines haben. Wir räumen im baldigen H.O.P.E. Treffpunkt etwas um, stellen den Esstisch aus dem Wohnzimmer in die Mitte. Ich selbst schlafe im Wohnzimmer.

Die Programmierung der App beginnt. Wir erzählen immer mehr Menschen von dem Projekt und können es kaum abwarten, die Webseite zu veröffentlichen.

Sidefact: Während dieser Zeit schlafe ich im Schnitt 3-4 Stunden pro Nacht. Der Adrenalinpegel tut sein Übriges.

 

märz

Wie sollte es bei mir als Filmer anders sein: am 7.3. erscheint Jimmy zum ersten Mal in einem Youtube-Video und wir veröffentlichen umfangreich das Konzept der App auf unserer Webseite.

Was dann beginnt, überwältigt mich noch mehr: Rückmeldungen von fern und nah feiern das Projekt. Viele Menschen bieten ihre Hilfe an und wirken von da an im Hintergrund mit. Irena, die in ihrer Freizeit jeden Text lektoriert. Sina, die Übersetzungen ins Englische angeht. Katrin, die ihr Rezeptbuch einreicht, um nur drei Personen zu nennen. Und auch erste kritische Anmerkungen von Außen bereichern das Projekt. Zum Beispiel: dass wir Afrika viel zu klein im Logo haben. H.O.P.E. wird in dem Monat genau das, was es immer sein wollte: ein Gemeinschaftsprojekt von Menschen für Menschen.

Wir verfeinern das Konzept der Module „Mobilität“ und „Reisen“ und machen einen konkreten Reiseplan für die Recherchen und die Promotion des geplanten Crowdfundings. Mit Jan mache ich die erste Reise nach Berlin. Und dann, … dann wird Corona plötzlich Thema. Und schmeißt auch Jimmys Pläne um.

Kurzes Innehalten. Was bedeutet das für uns, außer Abstand halten? Schnell wird eines klar: Die ganzen Reisepläne können wir streichen. Und somit muss das Reisemodul vorerst auf Eis gelegt werden. Das ändert den Projektverlauf das erste Mal massiv. Ein wenig irritiert programmieren wir eine Webapp, die Inspiration und Orientierung bieten möchte. Es ist eine Sammlung an Inspirationen von Büchern, Filmen und einem Malbuch. Und dem Einreichen von Tipps.

Sidefact: Das Einreichen von Tipps wird im weiteren Verlauf das Projekt maßgeblich verändern.

 

april

Wir beziehen im obersten Stockwerk des Heimathafens die H.O.P.E. base. Mein großer Sohn bekommt somit endlich sein Zimmer zurück und ich kann wieder in einem Bett schlafen. Wir entscheiden uns dazu, mit den Modulen „Mobilität“ und „Ernährung“ zu starten. Warum? Könnte daran liegen, dass mein jüngerer Sohn in einer Podcastfolge „Ernährung“ als das für ihn wichtigste Modul bezeichnet hat. Auch Stelly hat es ähnlich gesehen. In kurzer Zeit konzipieren und gestalten wir ein neues Modul im Detail.

Das Unternehmen H.O.P.E. – humans on planet earth UG (haftungsbeschränkt) wird am 23.04. formal gegründet.

Sidefact: Wir entscheiden uns bewusst gegen eine GmbH. Weil GmbH so marktlastig klingt. UG ist irgendwie sympathischer.

mai

Ab Mai ist es für jedermann möglich, über https://ourhope.app einen H.O.P.E. account anzulegen. Somit können erste Punkte gesammelt werden. Für das Einreichen von Ideen gibt es Punkte und erste Missionen werden ausgerufen. Das Konzept des Ernährungsmoduls steht grob. Und hier machen wir einen Denkfehler: ein grobes Konzept ist keine Konzeptausarbeitung der Funktionen im Detail.

Spoiler: Das wird uns im weiteren Verlauf zum Verhängnis, was den Zeitplan angeht.

 

juni

Die finanziellen Ressourcen, die ich in H.O.P.E. investieren kann, neigen sich langsam dem Ende. Mit drei Monaten Verzögerung starten wir unser Crowdfunding auf Startnext. Swea zieht sich zwischenzeitlich aus dem turbulenten Treiben der PR-Arbeit zurück, um sich voll auf ihr Mamasein konzentrieren zu können. Mein Vater fängt an, mich beim Zeichnen der App-Grafiken zu unterstützen. Die erste Praktikantin, Janna, kommt an Bord.

Sidefact: Janna studiert Ethnologie in Mainz. Hatte ich auch, wie übrigens viele andere hier bei H.O.P.E. Das Ethnologie-Institut ist eine wichtige Schnittstelle.

juli

Ethnologin Hannah kommt ins Team und bereichert 2-3 Mal pro Woche das Treiben hier im Büro. Erste Pressevertreter werden auf das Projekt aufmerksam. Wir erscheinen im Wiesbaden Kurier, Rhein Main TV, bei regionalen Radiosendern und diversen Online-Magazinen.

Mit Anne Overbeck, der Umweltpsychologin vom Institut für Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, beginnen wir die Evaluation der App auszuarbeiten.

Mit Stelly fahre ich nach Berlin und teste das Modul „Mobilität“ ausgiebig in unserer Hauptstadt. Wir merken, dass auch hier noch einiges an Arbeit vor uns liegt; sind aber auch ein bisschen stolz auf bisher Geleistetes.

Ende Juli wird klar, dass wir das gesteckte Funding-Ziel von 85.000,- € weit verfehlen werden. Ein Rückschlag, da wir auf 0,- € zurückfallen würden. Unser Plan: 1) Nicht aufgeben. 2) Neues Crowdfunding starten in der Hoffnung, dass all diejenigen, die bereits mit 30.000,- € unterstützt haben, unserer Einladung folgen, ein 2. Mal einzuzahlen. Doch dann ruft Startnext bei uns an.

Sidefact: Es wird richtig kontrovers diskutiert und wir ringen lange mit dem Gedanken, ob wir den Vorschlag annehmen dürfen.

 

august

Wir stimmen dem Vorschlag von Startnext zu. Das Crowdfunding wird angepasst: Das Fundingziel runter auf 37.000,- €, die Kampagne wird verlängert. Uns wird klar, dass damit nur ein Teil der Projektkosten finanziert werden kann und wir uns keine Unterstützung von außen suchen können.

Wir setzen uns zusammen und kalkulieren die dadurch stattfindende Verzögerung. Etwas naiv denken wir: „Ok, dauert bestimmt etwa zwei Monate länger.“ Doch der nicht klar definierte Umfang des Ernährungsmoduls wird uns einen Strich durch die Rechnung machen.

Tim kommt als Praktikant an Board der Abenteuerreise H.O.P.E.

Sidefact: Im August begleite ich die bis dato letzte Hochzeit. Mein Job – vor H.O.P.E.

september

Wir feiern ein megaspannendes Crowdfunding-Finale. Das ist nichts für schwache Nerven. Doch dank 416 UnterstützerInnen kann die Reise weitergehen. Wenn ich an die letzten Stunden denke, hab ich immer noch ein fettes Grinsen im Gesicht. Werd ich nie vergessen! 416 x DANKE!!! Lisa übernimmt den Praktikum-Staffelstab von Tim.

Sidefact: Dem Hessischen Rundfunk sage ich, dass die App im Oktober rauskommt. Zu diesem Zeitpunkt bin ich ganz fest davon überzeugt.

 

oktober

Sätze wie diese hört man im Office: „Hey, wir müssen uns das Ernährungsmodul noch mal im Detail anschauen!“ Wenig später: „OK … da ist echt noch ne Menge zu tun.“ Der im Hintergrund stattfindende lange Prozess der gemeinnützigen Gründung HOPE4EARTH gUG ist am 12.10. abgeschlossen. Hope kann somit Spenden sammeln.

Sidefact: Anders als bei H.O.P.E. kann ich hier keine Markenanmeldung bekommen. Der Zusatz 4EARTH ist nicht schützenswert. Die zauberhafte Hope ist jedoch, wie auch Jimmy, eine eingetragene Bildmarke.

 

november

Der Monat November ist dominiert von Fleißarbeit am Ernährungsmodul. Das Back-End mit allen Daten zu Lebensmitteln erweist sich als kleines Monster. Joanna unterstützt uns während ihres Praktikums. Erste ausführliche Gespräche über Kooperationen mit Vertretern der Wirtschaft finden statt. Dialoge mit politischen Verbänden entstehen.

Sidefact: Kooperationen mit nachhaltigen Unternehmen sollen den Laden hier langfristig am Laufen halten. Das Crowdfunding-Geld ist aufgebraucht. Jetzt gehts doch noch an die letzten privaten Ersparnisse.

dezember

An beiden Modulen fehlt zwar noch der Feinschliff aber: Wir können den Crowdfunding-UnterstützerInnen die Preview der App mit den Modulen „Ernährung“ und „Mobilität“ präsentieren. Die Anbindung der beiden Module ans Modul „Freunde“ beschäftigt uns den Monat über. Somit wird klar, wir nehmen die Veröffentlichung mit ins nächste Jahr, was natürlich nicht ansatzweise unserem Plan entspricht. Aber das ist ok. Wir sind ein kleines Team und wollen mit einer vermeintlich kleinen App Großes bewirken. Das schütteln wir nicht einfach aus dem Ärmel. Gut Ding will Weile haben.

 

fazit

Ich habe mich nach dem Studium selbstständig gemacht und 13 Jahre lang Filme und Fotos produziert. Während dieser Zeit habe ich überall in Deutschland Hochzeiten begleitet. Auch in Österreich, Dänemark, England, Frankreich, der Schweiz, Spanien, Italien, England, Südafrika,  Kuba und den USA. Es waren ein paar Promis dabei und unglaublich viele herzenswarme, abgefahrene Menschen. Großen und kleinen, wilden und romantischen Festen in den buntesten Farben durfte ich beiwohnen. Auch ein paar sehr merkwürdige Geschichten aus dieser Zeit wären einen Rückblick wert. Darum geht es hier aber nicht. Es waren megaspannende 13 Jahre, aber ein beruflich aufregenderes Jahr als 2020 hab ich nie erlebt.

Wie Jimmys Reise sich 2021 entwickelt, wird sich zeigen. Vielleicht wird sich nach Veröffentlichung kein Kooperationspartner finden und das Projekt wird aus finanzieller Not heraus eingestampft werden müssen. Dann müsste schon alles schieflaufen. Aber vielleicht entwickelt sich das Projekt ja auch zu dem, woraufhin wir zielstrebig hinarbeiten: ein Klimaschutz-Projekt als Leuchtturm voller Hoffnung, der zeigt, dass Klimaschutz Spaß machen kann und wirtschaftlich ist.

Eines weiß ich mit Sicherheit: Ich hab dieses Jahr alles mir Mögliche getan, um die Idee umzusetzen. Ich blicke aufgrund der zahlreichen Unterstützung äußerst zuversichtlich auf 2021. Und ich freu mich, zu dieser Zeit auf diesem Planeten leben zu dürfen! Mit so vielen anderen Menschen, die auch voller Hoffnung sind. Ich freu mich auch darüber, dass Menschen wie du das Projekt H.O.P.E. spannend genug finden, um bis hierher zu lesen. Ich hoffe, du bleibst auch 2021 an Board! Jimmy wird dich brauchen und freut sich schon auf dich!

Vielen Dank an alle Helfer! Egal, wie umfangreich deine Hilfe war. Vielen Dank an jeden Crowdfunding-Unterstützer! Vielen Dank für jeden einzelnen eingereichten Tipp! Vielen Dank an all diejenigen, die irgendwem über Jimmy erzählt haben. Vielen Dank für jede Kritik! Und vielen Dank für jede Ermutigung! Euer Feedback ist der Wind in Jimmys Segeln!

 

 

2021, we are ready for you!